Voß’ Übersetzungssprache
Voraussetzungen,
Kontexte, Folgen
Tagung an der Humboldt-Universität
zu Berlin, 15./16. Juli 2010
Johann Heinrich Voß
(1751–1826) war seinen Zeitgenossen zunächst als Verfasser idyllischer Gedichte,
darunter Luise (1795), und als Autor
scharfer Polemiken, vor allem gegen Stolberg und Creuzer, bekannt. In die
Literaturgeschichte ging er aber vor allem als sprachmächtiger Übersetzer ein.
So übertrug er Vergil, Horaz und Theokrit im Versmaß der Originale. Sein
deutscher Shakespeare, an dem auch seine Söhne Heinrich und Abraham Voß
mitarbeiteten, stand im Spannungsverhältnis zur Schlegel-Tieck’schen
Shakespeare-Ausgabe, gegen deren Konkurrenz er sich nicht durchsetzen konnte.
Eine säkulare Leistung stellt die Homer-Übersetzung dar. Als Voß 1793 eine
deutsche Gesamtausgabe der Homerischen Epen veröffentlichte, für die er die
ältere Fassung der Odyssee (1781) grundlegend
umarbeitete, waren viele Leser befremdet: Nie zuvor hatte ein Übersetzer
versucht, sich so eng an die griechische Sprach- und Versform anzulehnen. Erst
mit den folgenden Auflagen, für die Voß seine Arbeit immer weiter zu
perfektionieren suchte, erlangte sie kanonischen Status und prägte schließlich
die Sprache deutscher Übersetzungen über das 19. Jahrhundert hinaus.
Bis heute
bleibt die Einschätzung Voß’ zwiespältig: Während die einen seine
sprachschöpferische Leistung bewundern, schmähen ihn andere wegen seiner
Pedanterie. Die Tagung versteht sich als Beitrag zu einer differenzierteren
Würdigung Voß’ innerhalb der Literatur- und Übersetzungsgeschichte. Welche
übersetzerischen Herausforderungen stellt die Nachahmung antiker Verse? Wie
hängt dies mit den Debatten um die Nationalsprache und -kultur zusammen? In
dieser Perspektive soll die Genese der Voß’schen Übersetzungssprache, ihre
Aufnahme bei zeitgenössischen Autoren und ihre Wirkung auf die deutsche Übersetzungsliteratur
im 19. und 20. Jahrhundert untersucht werden.
Donnerstag, 15. Juli 2010
Hauptgebäude, Unter
den Linden 6, Raum 3075
Moderation: Alexander Nebrig (Berlin)
18.30 Uhr
Günter Häntzschel (München): Homer im
Wohnzimmer. Das bürgerlich-idyllische Epos im 19. Jahrhundert
Freitag, 16. Juli 2010
Universitätsgebäude
am Hegelplatz, Dorotheenstraße 24, Haus 1, Raum 301
Vormittag; Moderation: Thomas Poiss (Berlin)
9.30 Uhr
Frank Baudach (Eutin): Klassizist und Klassiker.
Zum Verhältnis von Voß und Goethe
10.15 Uhr
Enrica Fantino (Berlin): „Je näher ihm, desto
vortrefflicher“. Die Genese Voß’scher Übersetzungssprache von den Anfängen bis
zur Übertragung Homers
11.15 Uhr
Lars Korten (Berlin): Tonkunst und Zeitmaß. Zur
Metrik Johann Heinrich Voß’
12.00 Uhr
Clémence Couturier (Amiens): Johann Heinrich Voß als Versberater und
Konkurrent auf dem Literaturmarkt für Goethe und Schiller
Nachmittag; Moderation: Julia Weitbrecht (Berlin)
14.15 Uhr
Anne Baillot (Berlin): Shakespeare und die alten
Tragiker im Briefwechsel Heinrich Voß’ mit Karl Solger und Rudolf Abeken
15.00 Uhr
Christine Roger (Amiens): Der deutsche und der fremde
Shakespeare. Die Voß’sche Shakespeare-Übersetzung im Kontext ihrer Zeit
16.00 Uhr
Josefine Kitzbichler (Berlin): Homer-Übersetzungen
nach Voß. Zur Auseinandersetzung mit Voß’scher Sprache im 19. und 20.
Jahrhundert
Diese Tagung wird durch den SFB 644 "Transformationen der Antike" veranstaltet.